Dirk Specht (links) und Lennard Oehl, SPD | Credit: Privat

03.05.2024

SPD Lennhard Oehl: Registrierkassenpflicht würde einen Großteil des Umsatzsteuerbetrugs effizient bekämpfen

Weil der Stammfriseur schließen muss, erlebt Politiker Lennard Oehl, SPD, die Herausforderungen im Friseurhandwerk hautnah. Im Gespräch mit Dirk Specht, Stellv. Obermeister in Hanau, sprach er über politische Lösungsansätze und empfiehlt, dass Friseure lauter werden müssen.

Lennard Oehl, Abgeordneter im Deutschen Bundestag, ord. Mitglied des Finanzausschusses, sowie Stv. Vorsitzender SPD Unterbezirk Main-Kinzig im Gespräch mit Dirk Specht, Stv. Obermeister der Friseurinnung Hanau, Salonunternehmer Hair by Specht

Dirk Specht: Hallo Lennard, Du bist ebenfalls von den vielen Herausforderungen des Friseurhandwerks betroffen, dein Friseur musste schließen. Darüber mag ich dann auch gerne mit dir als Politiker sprechen. Ein großes Thema ist die Schwarzarbeit. Friseure sind hier massiv betroffen, Zollkontrollen werde zu wenig durchgeführt. Was kann man hier besser machen?
Lennard Oehl:
Ich bin überzeugt, dass es mehr Kontrollen braucht, da Schwarzarbeit ein echtes Problem ist. Umsatzsteuerbetrug wird in Deutschland auf über 20 Milliarden Euro geschätzt. Wir arbeiten aktuell im Finanzausschuss am Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz, wo man die Zollarbeit neu aufstellen möchte. Allen ist bewusst, dass das System den Verdachtsmeldungen aktuell nicht nachkommt. Es soll eine neue Behörde geschaffen werden, mit Fokus auf die Bekämpfung von Finanzkriminalität. Es gibt viele ehrlich Betriebe, aber die schwarzen Schafe gehören stärker kontrolliert.

Wie filtert man „Schwarze Schafe“ heraus?
LO:
Betriebe, die verdächtig wirken, zum Beispiel weil sie keine registrierte Kasse habe, gehören häufiger geprüft.

Ist die Registrierkassenthematik wirklich Thema im Bund? Was versprecht ihr euch davon?
LO:
In der letzten Legislaturperiode gab es dazu Debatten. Ich spreche mich dafür aus, diese Diskussion wieder aufzunehmen. Mit einer Registrierkassenpflicht könnte ein Großteil des Umsatzsteuerbetruges effizient bekämpft werden. Damit würde eine unternehmerische Fairness geschaffen. Keinen Kassenbon zu erhalten ist meist ein Indiz dafür, dass etwas Kriminelles im Spiel ist, ob Geldwäsche oder Steuerbetrug. Es braucht eine Diskussion für einen fairen Weg für alle.

Fair ist, wenn alle gleichbehandelt werden. Im Friseurhandwerk gibt es allerdings viele Kleinunternehmen (28%). Auch diese sollten sich an Registrierkassenauflagen halten müssen. Zudem sind diese umsatzsteuerbefreit.
Oehl:
Es ist richtig zu fordern, dass alle, die einer gewerblichen Tätigkeit nachgehen, ob es jetzt Friseur, Barber oder selbstständiger Friseur sind, am Ende alle gleichen Spielregeln haben.

Die Absetzbarkeit der Friseurdienstleistung wurde beim Zukunftskongress der Friseure in Berlin diskutiert. Wie finden Sie diese Idee?
Oehl: Das würde sicher dazu führen, dass Leute häufiger nach dem Kassenbon fragen würden. Und Betriebe müssten diesen dann auch ausstellen. Dies würde die Möglichkeit, schwarzzuarbeiten, erschweren. Was hier allerdings zu berücksichtigen ist, ist, wie es sich am Ende steuerlich auswirkt. Ich finde diesen Ansatz spannend und nehme das mit, wenn im Laufe des Jahres über das Jahressteuergesetz gesprochen wird. Das können wir ja einfach mal errechnen lassen, um welche Summe es geht, sollte die Friseurdienstleistung absetzbar sein.

Aus Fairnessgründen wird auch immer wieder die Mehrwertsteuersenkung auf 7% gefordert. Wie siehst du das?
LO:
Grundsätzlich bin ich der Meinung, man sollte alle Waren- und Dienstleistungen einheitlich versteuern lassen. Ich weiß, das wird wieder diskutiert, Grundnahrungsmittel auf 0% oder 7%. Am Ende ist mein Eindruck, die Menschen essen unterschiedlich und geben unterschiedlich viel Geld für Dienstleistungen aus, sei es der Friseur, sei es der Handwerker etc. Da finde ich eine einseitige Senkung der Mehrwertsteuer bei bestimmten Produkten immer schwierig. Da finde ich den Ansatz der Absetzbarkeit besser. Aber das müsste man sich wie gesagt einmal durchrechnen lassen.

Lohnnebenkosten! Da liegen wir als sehr personalintensives Handwerk durchschnittlich bei 40%. Es nimmt Unternehmern die Chance Mitarbeiter besser zu entlohnen.
LO:
Ich verstehe, dass in personalintensiven Betrieben, klassischerweise das Friseurhandwerk, die Sozialabgaben sehr drücken. Ich finde, wir müssen als Staat bei Sozialversicherungen eine langfristige Finanzierungsmöglichkeit finden.

Die hohe Belastung führt auch dazu, dass immer weniger Betriebe, nur noch 11%, ausbilden. Viele Ausbildungsbetriebe fordern hier eine Unterstützung/ Ausbildungsabgabe. Was hältst du denn davon?
Oehl:
Ich halte das für eine gute Idee, weil dadurch jene Betriebe belohnt werden, die ausbilden und damit Kosten und Verantwortung auf sich nehmen, während Betriebe, die nicht ausbilden, diese dann abwerben können. Da stehen Kosten und Risiko in keinem guten Verhältnis. Mit der Idee einer Umlage kann ich viel anfangen.

Mir sind ja persönlich die Mikrobetriebe ein Dorn im Auge. Wir zahlen Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, bilden aus und das alles in Deutschland. Mein Unternehmen schafft in Deutschland Arbeitsplätze und Nachwuchs. Diese Mikrobetriebe und auch Billigbarber tun das nicht und haben massive Wettbewerbsvorteile, umsatzsteuerbefreit oder keine ordentlichen Kontrollen der Geschäftsbetriebe.
LO:
Ich stimme dir voll zu, hier braucht es faire Spielregeln für alle.

Dann stelle ich die wichtigste Frage: Wir verstehen uns, aber wie geht es politisch weiter?
LO:
Wichtig ist Gespräche miteinander zu führen. Ich glaube, das tun Friseure viel zu wenig. Bei Sitzungs- und Wahlkreiswochen sind viele Politiker vor Ort und nehmen sich auch die Zeit eins, zwei Stunden zuzuhören. Die Punkte, über die wir heute geredet haben, die bleiben dann auch länger im Politikerkopf und werden, wenn wir in Berlin zusammenkommen, auch angesprochen. Ich glaube, dass man da viel erreichen kann.

Dann gebe ich das an alle Kolleginnen und Kollegen weiter und wir schauen in einem Jahr, wie weit wir gekommen sind. Danke Lennard für dieses offene Gespräch.